Acht Wege, um Spannung in euren Text zu bringen

Ihr kennt das sicherlich alle: ihr lest einen Roman und wollt gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören. Nur ein Kapitel noch. Nur eines noch. Ihr seid aufgeregt und wollt wissen, was als nächstes passiert, wann ein bestimmtes Ereignis eintritt, wie ein Konflikt aufgelöst wird, warum eine Figur auf eine bestimmte Art und Weise gehandelt hat oder wer denn nun der Täter in einem Kriminalfall ist. Ihr seid gespannt. Stellt euch ein Gummiband vor, an dem ihr zieht und es dann festhaltet: Es steht unter Spannung, es enthält Energie, die es in dem Moment, in dem ihr es loslasst , durch die Luft sausen lässt. In Erwartung dieser Entladung von Energie lesen wir auch Texte und dabei ist nichts zufällig. Wenn ihr euch einmal nach der Lektüre eines für euch spannenden Textes fragt, warum ihr ihn eigentlich so spannend fandet, werdet ihr bei erneuter Betrachtung feststellen, dass der Autor bestimmte Verfahrensweisen eingesetzt hat, um bei euch dieses Gefühl der Anspannung und Erregung zu erzeugen. Das zu reflektieren kann sehr lehrreich für das eigene Schreiben sein, und auch wenn es kein Patentrezept dafür gibt, einen Leser an seinen Text zu bannen, kann das Wissen um die Techniken des Spannungsaufbaus zweifellos dabei helfen und ein nützlicher Baustein für den eigenen Text werden, auch dann, wenn man nicht Krimis oder Thriller schreibt. Es folgen acht Möglichkeiten, Spannung in euren Text zu bringen.

Vorausdeutungen einsetzen

Eine sehr grundsätzliche Technik: Verharrt nicht in euren Szenen, sondern lasst euren Erzähler oder eure Figuren auf ein zukünftiges Ereignis verweisen, es zu erwarten, anzukündigen, zu prophezeien, auf es hinzuarbeiten und erzeugt so eine Erwartung, dass dieses Ereignis auf die ein oder andere Art eintreten wird. Ihr müsst dabei nicht zu spezifisch sein, nicht jedes Detail muss im Moment der Erwähnung erklärt werden. Die bloße Tatsache, dass ein bestimmtes Ereignis erwähnt wird, sorgt dafür, dass dieses beim Leser im Hinterkopf schwirrt und ihn fragen lässt, wann, wie, warum es sich ereignet, was für Konsequenzen daraus hervorgehen und welche Bewandtnis es für die Erzählung hat. Messt ihm Wichtigkeit bei und der Leser wird diese Wichtigkeit spüren. Es muss dann freilich nur auch die Auflösung kommen, das Ereignis eintreten und Befürchtungen wahr werden lassen, sie gar noch überbieten oder eine Wendung eintreten lassen, die einen das ganze in anderem Licht sehen lässt. In jedem Fall muss es wieder aufgegriffen werde, sonst ist die Mühe umsonst.

Denken wir, um ein Beispiel zu bringen, an den ersten Satz von Gabriel García Márquez‘ Roman Chronik eines angekündigten Todes:

Auf einen Höhepunkt hinschreiben

Dieser Beispielsatz ist auch instruktiv für den zweiten Weg: Schreibt auf einen Höhepunkt hin, bei einer kurzen Erzählung ist der am besten auch das vorausgedeutete Ereignis, um die Handlung nicht zu sehr zu verkomplizieren. Das ist in dem Beispiel von dem Roman von García Márquez der Mord an Santiago Nasar, den wir nun die ganze Lektüre über erwarten. Wir wissen in diesem Moment nicht, wie er geschieht, nicht wann er geschieht, und auch nicht durch wen. Das sind Fragen, die uns beschäftigen und uns weiterlesen lassen. Ein Höhepunkt kann dabei alles Mögliche sein, eine große Schlacht, ein Streitgespräch, ein Aufbruch in ein unbekanntes Land, eine Hochzeit, ein Abschied, ein Tod, ein Mord, ein Schicksalsschlag, ganz egal, aber das ist der Moment, von dem wir erwarten, dass er unsere Anspannung auflösen wird und uns Antworten auf unsere Fragen gibt, der Moment, auf den wir hinfiebern, sofern wir schon früh merken, dass die Geschichte darauf hinausläuft. Den Ausgang dieses Höhepunkts dann, bis er tatsächlich eintritt, nicht vorwegzunehmen, lässt die Leser gespannt weiterlesen.

Die Handlung einsetzen lassen, ohne sie einzuordnen oder zu erklären

Auch der dritte Weg spiegelt sich in unserem Beispielsatz wider, er dreht sich um die Fragen in den Köpfen der Leser. Warum soll Santiago Nasar ermordet werden, durch wen, zu welcher Stunde, mit welchen Mitteln, und wird es gelingen? Wir wissen es nicht. Klar, die Geschichte wäre auch dann noch spannend, wenn wir einiges davon wüssten, nur müssen Fragen im Kopf der Leser übrig bleiben, deren Antwort er sich im Laufe der Geschichte erhofft. Viele Kriminalgeschichten arbeiten so: Sie werfen Fragen auf, indem sie Ereignisse schildern und Figuren mit diesen konfrontieren – Ein Mord, eine Entführung, ein Raub – erklären diese aber nicht sofort in ausführlichen Schilderungen der konkreten Geschehnisse, der Psyche der Beteiligten und der gesellschaftlichen und persönlichen Umstände, sondern wenn überhaupt nur Schritt für Schritt. Oft lassen sie die Hauptfigur selbst (oder einen ahnungslosen Assistenten) als Stellvertreter für den Leser Schritt für Schritt Antworten auf die aufgeworfenen Fragen suchen und finden. Lasst Fragen also bewusst offen, um sie Schritt für Schritt oder im Nachhinein erst zu beantworten, manche vielleicht auch gar nicht. Eine Geschichte will nicht erklärt, sondern erzählt werden.

Auflösungen hinauszögern

Seid ihr in eurer Erzählung an dem Punkt angekommen, an dem bestimmte Fragen beantwortet, an dem ein Konflikt ausgetragen wird oder ein Schicksalsschlag eintritt, kann es effektiv sein, den Moment der Entladung hinauszuzögern. Stellen wir uns die Situation in einem Krimi vor: Ein Ermittler hat den Tatort begutachtet, die Zeugen befragt, die Ergebnisse der forensischen Untersuchung abgewartet und weiß nun, wer der Täter ist. Er ruft vielleicht, wie Agatha Christies Hercule Pierot das gerne tut, alle beteiligten zusammen und statt direkt zur Sache zu kommen und den Täter zu benennen, setzt er uns erstmal ausführlich auseinander, wie sich die Tat konkret ereignet hat und welche Rolle welche Beteiligten wann wie warum gespielt haben. Auch das kann spannend sein, aber die brennende Frage, die in der Szene beantwortet werden soll, ist die nach der Identität des Täters und sie lässt weiter und weiter auf sich warten und treibt uns durch die Aufdröselung des ganzen Falles. Strapaziert also ruhig ein wenig die Nerven eurer Leser. Man kann es im Anschluss daran dabei bewenden lassen und die Erzählung abschließen, soll es aber weitergehen und es war nicht die Auflösung der gesamten Geschichte, so ist es ratsam, gleichzeitig neue Fragen aufzuwerfen und eine Wendung einzubauen, die die Erzählung in eine neue, vielleicht sogar gänzlich unerwartete Richtung lenkt. Das wäre mein vierter Weg.

Erzählte Zeit dehnen

Stellen wir uns für den fünften Tipp folgende Situation vor: Zwei Kontrahenten stehen sich im Duell gegenüber. Wir erwarten, dass einer verletzt wird, vielleicht auch stirbt, und wissen nicht wer. Freudig aufgeregt lesen wir und wollen den Ausgang erfahren. Wir haben vielleicht eine oder beide Figuren zuvor über ein paar hundert Seiten verfolgt und wissen, dass das der entscheidende Moment der Geschichte ist. Und der Erzähler beschreibt erstmal ihre Gesichtsregungen, das Getuschel der Sekundanten, die Gluthitze des schicksalhaften Tages, die knisternde Atmosphäre in penibelster Kleinlichkeit und lässt uns zappeln. Unerträglich, jedes Detail bekommt plötzlich Gewicht, während wir das unvermeidbare Ereignis langsam am Horizont auf uns zuschreiten sehen.

Den Leser mehr wissen lassen, als die Figuren

Für den sechsten Weg verweise ich schlicht auf Alfred Hitchcock, der 1970 in einem Gespräch mit dem American Film Institute den Unterschied zwischen Surprise und Suspense anhand einer Analogie erläuterte und erklärte, wie man letzteres erzeugt. Wir nehmen an, zwei Leute sitzen an einem Tisch und reden miteinander, während sich darunter eine Bombe befindet. Die Personen wissen davon nichts. Weiß der Leser davon auch nichts, explodiert sie und wir sind überrascht. Weiß der Leser, dass sie da ist, dass sie um Punkt 13 Uhr explodieren wird und sieht im Hintergrund eine Uhr auf 12:59 Uhr, dann ist das suspense, Spannung. Lasst eure Figuren in Gefahrensituationen im unklaren, während ihr den Leser von der Gefahr wissen lasst, sie ihn erwarten und ständig spüren lasst.

Motivation der Figuren verschleiern

Lasst eine Figur handeln, am besten auffällig, vielleicht extrem oder unerwartet, ein plötzlicher Gefühlsausbruch, eine Gewalttat, mutwillige Zerstörung, irgendwas, aber erklärt nicht, warum sie auf eine bestimmte Art und Weise handelt. Das macht den Leser neugierig darauf, es herauszufinden: Warum tut die Figur das, warum reagiert sie so? Wir unterstellen, dass es einen Grund gibt, vor allem wenn die Person ansonsten rational erscheint und den Anschein macht, irgendwelche Ziele zu verfolgen, aber wir können nicht den Finger draufhalten und erwarten einen Grund, der vielleicht ja im Laufe der Erzählung zutage treten wird. Dieser Ansatz eignet sich besonders gut für Antagonisten, bei Hauptfiguren muss man da vielleicht etwas vorsichtiger sein.

Mit Rückblenden rekontextualisieren

Der letzte Weg fügt sich gewissermaßen an die vorigen beiden an: Wenn sich zwei Figuren am Tisch gegenübersitzen und unschuldig über das Wetter reden, was wäre dann, wenn wir im nächsten Absatz in einer Rückblende erfahren, dass der eine das Kind der anderen entführt hat. Das verändert die Dynamik des Gesprächs und erzeugt in uns die Vorstellung, dass a) dieses unschuldige Gespräch nur Fassade ist und b) es mit einer Konfrontation, einem Knall enden wird. Dinge auf eine bestimmte Art in die Erzählung einzuführen, um dann herauszustellen, dass sich etwas ganz anderes hinter ihnen verbirgt, lässt den Leser das Brodeln unter der Oberfläche in jeder Szene und jedem Satz spüren. Bringt man es hier zur Meisterschaft, kann man den Leser über einen ganzen Roman hinweg bei der Stange halten, indem von Rückblende zu Rückblende ein neues Licht auf die Geschichte und ihre Figuren geworfen wird. Hier verweise ich auf den Roman Kommt ein Pferd in die Bar von David Grossman, der einen einzelnen Auftritt des Bühnenkomikers Dovele erzählt und langsam seine verschiedenen Wesensschichten herausschält und den Leser dabei gleichermaßen verzückt wie verstört.

Es gibt noch eine Menge anderer Wege, um Spannung im Großen wie im Kleinen zu erzeugen, aber für den Anfang sind diese Acht eine solide Grundlage. Recherchiert ihr ein bisschen im Internet, findet ihr schnell wesentlich umfassendere Anleitungen und Tipps dazu, es scheint ein dringendes Bedürfnis vieler Leser und Schreiber zu sein. Werdet ihr in eurer Erzählung für den Schreibwettbewerb von solchen Schreibtechniken Gebrauch machen? Oder soll der Fokus bei euch gar nicht auf der Spannung liegen und ihr wollt uns auf anderem Wege begeistern? So oder so sind wir gespannt auf eure Einsendungen.

Schreibinspiration/Lesetipp #2 – Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne

So beginnt Kazuo Ishiguros jüngster, 2021 erschienener Roman Klara und die Sonne, der aus der Ich-Perspektive von Klara, einer KF (Künstliche Freundin), einen neuen Blick auf das aufwirft, was wir Menschlichkeit nennen und wie wir diese zu verlieren drohen. Dabei spielt der Roman in einer nicht näher spezifizierten dystopischen Zukunft, extrapoliert aber, wie in der Science-Fiction üblich, gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen und Phänomene, um so letztlich einen Blick auf uns zurückzuwerfen und uns mögliche Konsequenzen eben dieser eindrücklich vor Augen zu führen.

Interessanterweise wird das Thema der künstlichen Intelligenz, ob es nun tatsächliche Intelligenz ist oder nicht, ob sie den Menschen nun überflüssig macht oder nicht, ob sie uns nun Beziehungen vorspielt und eigentlich von uns und unseren Mitmenschen isoliert und vereinsamen lässt oder nicht, wenn überhaupt nur am Rande angesprochen. Klara mag zwar die Hauptfigur und Erzählerin des Romans sein, aber um sie geht es in dem Roman überhaupt nicht, sie ist ein Medium, durch das die eigentlichen Themen von sozialer Kälte und Optimierungszwang, aber auch von Hoffnung und Menschlichkeit vermittelt werden.

Es ist erstaunlich, wie gerade der perspektivische Filter einer nicht menschlichen Figur, die versucht, sich einen Reim auf die menschliche Welt zu machen und sich diese zu erklären, auch durch ihre kindliche, naiv anmutende Sprechweise, ein so beklemmendes Bild von uns und unserem Umgang miteinander zeichnen kann und dabei gerade nicht in Nihilismus oder Zynismus verfällt. Ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass Klara eines Tages gekauft wird und den Laden, in dem sie sich eingangs befindet, verlässt, um die KF von Josie zu werden, einem kränkelnden 14-jährigen Mädchen, dem sie als Gefährtin zur Seite stehen soll. Dabei verschlechtert sich Josies Zustand im Verlaufe der Geschichte immer weiter und Klara sucht auf ihre eigene Art nach einem Weg der Heilung für sie.

Ihr merkt, ich versuche möglichst wenig Details preiszugeben. Das rührt daher, dass ich glaube, dass der Roman seine größte Kraft entfaltet, wenn er einen unvorbereitet trifft. Wenn man wie Klara versucht, sich die Welt des Romans zu erklären und nicht bereits weiß, was dort vor sich geht. Deshalb schweige ich zum weiteren Inhalt. Lasst euch abschließend nur gesagt sein, dass euch dieses Werk, wenn ihr es schafft euch richtig darauf einzulassen, nachhaltig beeindrucken und lange beschäftigen wird. Es ist eines der Bücher, die man in seinem Kopf lange mit sich rumträgt, auch wenn man es schon längst zugeklappt hat. Und für das eigene Schreiben ist es ein wunderbares Fallbeispiel dafür, wie stark der Einfluss einer bestimmten Erzählperspektive, wenn man diese nur konsequent einnimmt, auf den fertigen Text, seine Atmosphäre, seine Sprache, seine Eindrücke, seine ganze Wirkung sein kann. Ich möchte euch deshalb ermutigen, in euren Texten ganz bewusst die Perspektive zu wählen, mit der ihr glaubt eure Geschichte und die darin transportierten Themen, Bilder, Gefühle und Gedanken am wirkmächtigsten ausdrücken zu können.

Klara und die Sonne ist in der deutschen Übersetzung von Barbara Schaden beim Blessing-Verlag erschienen. Die englische Originalfassung wurde bei Faber&Faber publiziert.

Typographie, Tastenkürzel, Typefacts

Wusstet ihr, dass die öffnenden Anführungszeichen im Englischen den schließenden Anführungszeichen im Deutschen entsprechen? Oder, dass man Guillemets im Französischen nach außen zeigend, im Deutschen aber nach innen zeigend nutzt? Jetzt wisst ihr es. Das und noch mehr zu Zeichen, Fonts und Tastaturkürzeln könnte ihr auf der Seite Typefacts.com lernen. Das ist auf jeden Fall einen Blick wert, um über die kleinen Feinheiten der digitalen Schrift aufgeklärt zu werden und bestimmte Fehler zu vermeiden, die oft auch von Leuten begangen werden, die es eigentlich besser wissen sollten. Also nutzt diese Seite als Hilfsmittel, um in eurem Text stets die richtigen Zeichen zu setzen. Aber selbst wenn ihr keinen Beitrag für unseren Wettbewerb einreicht, hilft die Seite euch bei Seminararbeiten oder im Berufsleben, um Zeichen und Kürzel parat zu haben und zu wissen, welche ihr wann und warum gebraucht.

Die Webseite findet ihr unter folgendem Link: https://typefacts.com/

Schreibinspiration/Lesetipp #1 – Stanisław Lem: Solaris

Diese berühmten Sätze aus dem 1961 erschienen Romanklassiker Solaris von Stanisław Lem geben eine Antwort auf die Frage, warum die Menschheit das Weltall erforscht und den Kosmos durchreist. Es ist die Antwort von Snaut, einem der Forscher auf der Solaris-Forschungsstation, die über dem titelgebenden Planeten schwebt und von der aus das Verhalten eines merkwürdigen Ozeans auf dessen Oberfläche untersucht werden soll.

Suchen wir im Fremden letztlich nur uns selbst, einen Spiegel, um uns unserer Selbst zu vergewissern? Können wir mit dem, was uns völlig fremd bleibt, überhaupt etwas anfangen, entzieht es sich uns nicht völlig? Das sind tiefgreifende Fragen, über die man lange nachdenken kann und sie bilden das Hauptmotiv des Romans. Sowohl auf zivilisatorischer Ebene, durch der Erforschung des fremden Planeten, als auch auf persönlicher, zwischenmenschlicher Ebene, durch die Beziehung zwischen dem Ich-Erzähler Kris Kelvin und seiner eigentlich vor Jahren verstorbenen Frau Harey, die plötzlich auf der Raumstation auftaucht, dreht sich das Geschehen um das Verhältnis zum Anderen und um die (unmögliche) Kommunikation mit eben diesem.

Die Lektüre des Romans lohnt sich sicherlich als Anregung, um darüber nachzudenken. Man kann das aber auch ausblenden und unvoreingenommen einen kanonischen Text der Science-Fiction-Literatur kennenlernen. Es ist sicherlich keine ausschließlich unterhaltende Lektüre, denn es gibt auch ausgedehnte Passagen über die Forschungsgeschichte des Planeten, die man dröge finden kann. Auch der Umgang mit den Frauenfiguren wird einigen befremdlich und kritikwürdig erscheinen, so beispielsweise, wenn die Hauptfigur seine Frau ständig mit „mein Kind“ anspricht. Trotzdem bleibt der Roman nicht zu Unrecht ein Klassiker, der ein universelles Thema auf vielschichtige Weise behandelt und aus dem man einiges ziehen kann.

Gleichzeitig kann man die obigen Sätze auch auf einer Metaebene auf die Literatur beziehen. Was suchen wir, wenn wir Texte über eine fremde Zeit, ein fremdes Land, einen fremden Menschen, eine fremde Welt lesen? Wirklich nur uns selbst im Fremden, oder doch etwas anderes? Suchen wir überhaupt? Ich denke, diese Fragen kann man sich stellen, wenn man solche Texte liest, aber auch und vielleicht vor allem, wenn man sie schreibt. So hilft die Lektüre vielleicht auch dabei, um zu sehen, wie man mit etwas so fremd scheinendem wie der Zukunft ein doch menschliches, universelles Thema bearbeiten und davon erzählen kann.

Werdet ihr uns mit euer Geschichte auch einen Spiegel vorhalten? Oder widersprecht ihr dieser Philosophie und haltet solche Gedankenspiele für Zeitverschwendung? Gibt es für uns im Fremden mehr als nur uns selbst und ihr möchtet davon erzählen? Wir sind gespannt auf eure Einsendungen, die Details findet ihr im angepinnten Beitrag.

Solaris ist in der deutschen Übersetzung von Irmtraud Zimmermann-Göllheim bei Ullstein erhältlich. Man findet den Roman (ggf. in älteren Ausgaben) aber auch antiquarisch oder in der Bibliothek.

Außerdem: Die Verfilmung des Romans von Andrei Tarkowski aus dem Jahr 1972 ist ebenfalls sehenswert. Man findet sie auf dem Mosfilm-Kanal auf YouTube, wo auch eine Menge anderer Klassiker des Sowjetkinos zu sehen sind. Ein Blick lohnt sich in jedem Fall, auch wenn die Qualität der Übersetzung in den Untertiteln leider sehr schwankt.